ERNEUERBARE ENERGIE
Österreich strebt an, bis 2030 des gesamten Strombedarf aus erneuerbaren Energiequellen zu beziehen. Etwa 60% des Strombedarfs werden derzeit von der Wasserkraft erzeugt. Bis 2030 sollen weitere 5 Terawatt-Stunden (TWh) ausgebaut werden.
Die Wasserkraft als erneuerbare Energiequelle kann zur Erreichung der Klimaziele einen wesentlichen Beitrag leisten. Jede Wasserkraftanlage, ob (Pump-)Speicherkraftwerk oder Laufkraftwerk, stellt aber auch einen Eingriff in ein bestehendes Gewässersystem dar. Technische Herausforderungen betreffen bspw. das Sedimentmanagement und den Hochwasserschutz. Auf ökologischer Seite sind die Unterbrechung des Fließgewässerkontinuums, Schwall- und Sunkerscheinungen durch den Wasserkraftbetrieb, Fisch-freundliche / Sedimentdurchgängige Turbinen und fehlende Organismenwanderhilfen große Fragestellungen, die die Entwicklung forschungsgeleiteter, innovativer Lösungskonzepte erfordern. Dies betrifft bestehende Wasserkraftanalgen ebenso wie potentielle Neuerschließungen. Eine integrale Betrachtung der Wasserkraftanlage erfordert angewandte und grundlegende Forschung zu folgenden Themenfeldern:
- Innovative Turbinenneuentwicklungen
- Optimierung von Wasserkraftanlagen
- Stauraummanagement und Stauraumgestaltung
- Fischwanderhilfen
- Feststoffhaushalt
- Hochwasserrisikomanagement bei Wasserkraftwerken
Innovative Turbinenneuentwicklungen
In klassischen Laufkraftwerken kommen meist Kaplanturbinen oder Francisturbinen zum Einsatz. Aufgrund des hohen Wirkungsgrades ist kaum mehr Entwicklungspotential vorhanden, was die Energieeffizienz betrifft. Turbinenneuentwicklungen fokussieren beispielsweise darauf, die Fischsterblichkeit zu reduzieren, wenn Fische über die Turbine absteigen wollen. Die „Fisch-Freundlichkeit“ von kann durch langsam drehende Turbinen oder durch eine optimierte Form der Laufradschaufeln erzielt werden. Ein weiterer Forschungsschwerpunkt liegt in der Entwicklung Sediment-durchgängiger Turbinen, bei denen es neben der Frage des richtigen „Coatings“ vor allem auch um die konstruktive Gestaltung und die Lage in Bezug auf die Wasserkraftanlage geht. Hydrokinetische Turbinen nutzen die kinetische Energie des Fließgewässers ohne das Wasser dabei aufzustauen. Der Eingriff in das Fließgewässer ist damit deutlich geringer als beim Laufkraftwerk, jedoch gilt dies auch für die erzeugte Jahresarbeit. Der Wasserkraftversuchsstand des BOKU Wasserbaulabors bietet die Möglichkeit innovative Turbinenneuentwicklungen (nahe) 1:1 zu testen.
Optimierung von Wasserkraftanlagen
Bestehende Wasserkraftanlagen weisen oft aufgrund neuer technischer und baulicher Anforderungen, aber auch notwendiger Anpassungen an (klimawandelbedingte) hydrologische Veränderungen, oder zum Zwecke der Wiederverleihung des Wasserrechts einen Optimierungsbedarf auf. Ein wesentlicher Punkt der Optimierung stellt die Erneuerung veralteter Turbinen, Generatoren, Steuer- sowie Regelungstechnik dar. Beispielsweise können so, trotz erhöhter Restwasserabgabe, oftmals Leistungssteigerungen der Anlage erzielt werden, um somit eine „Win-Win“ Situation aus technischer, ökologischer und sozioökonomischer Sicht zu schaffen.
Des Weiteren erfordern neue hydrologische Bedingungen, wie stärkere und häufiger auftretende Extremereignisse, Adaptierungen von wasserbaulichen Elementen der Kraftwerksanlage. Hierzu zählen, neben der Optimierung von Wehrschwellen- und Tosbeckengeometrie, auch Änderungen bestehender Sohlsicherungen im Ober- und Unterwasser, Rechenanlagen oder stahlwasserbaulicher Elemente.
Stauraummanagement und Stauraumgestaltung
Die Geschiebekontinuität vieler Flüsse im Alpenraum kann durch Wasserkraftanlagen gestört werden, da während des Staubetriebes oftmals ein Großteil der Geschiebefracht im Stauraum zurückgehalten wird. Mögliche Folgen sind ein erhöhtes Hochwasserrisiko, technische Probleme beim Betrieb der Anlage sowie ein auftretendes Geschiebedefizit im Unterlauf, verbunden mit Erosionsproblemen. Daher ist die Entwicklung nachhaltiger Sedimentmanagementstrategien erforderlich. Beispielsweise können natürlich auftretende Hochwasserabflüsse für Spülungen genutzt werden, um im Stauraum abgelagerte Sedimente gezielt zu mobilisieren und flussabgelegenen Abschnitten zuzuführen. Der Abflusswert zum Initiieren einer Spülung sollte hierbei einen Kompromiss zwischen Spüleffizienz und ökologischen Aspekten (Konzentration an Schwebstoffen und organischem Material) darstellen. Weiters kann eine wiederholte Staulegung bei moderateren, geschiebewirksamen Abflüssen ein Schleusen von Sedimenten durch den Stauraum ermöglichen. Die Effizienz kann durch bauliche Maßnahmen (Sedimentleitwerke, Geschiebeleitrinnen, etc.) und optimierte Betriebsweisen (Staulegungskonzepte bei Kraftwerksketten, Reaktionsdiagramme für den Kraftwerksbetrieb) erhöht werden. Neben Maßnahmen im eigentlichen Staubereich können Bypass-Systeme (Bypassgerinne, Bypasstunnel, etc.) die Feststoffdurchgängigkeit weiter verbessern.
Fischwanderhilfen
Fischwanderhilfen sind integrale Bestandteile eines Laufkraftwerks. Sie sollen den gefahrlosen den Auf- und Abstieg von Fischen und anderen Organismen sicherstellen. Zentrale Elemente von Fischwanderhilfen sind deren Auffindbarkeit und Lage, eine ausreichend große Lockströmung im Vergleich zum konkurrierenden Abfluss, die Einhaltung von Maximalgeschwindigkeiten und Wasserspiegeldifferenzen in Abhängigkeit der Leitfischarten sowie deren Funktionsfähigkeit über weite Strecken im Jahr (z.B. 300 Tage im Jahr). Aus energiewirtschaftlicher Sicht geht die Restwasserdotation für die Stromproduktion verloren. Innovative Entwicklungen von Restwasserturbinen kombinieren Fischwanderung und energetische Nutzung gleichermaßen. Ein Bespiel ist die Fischwanderhilfe Fishcon, die sich durch eine kompakte, platzsparende Bauweise und eine Durchwanderbarkeit in beide Richtungen auszeichnet. Fishcon wurde von 2016 – 2020 u.a. im BOKU Wasserbaulabor entwickelt.
Feststoffhaushalt
Sediment wird im Einzugsgebiet eines Flusses über Erosionsprozesse von den angrenzenden Flächen in den Fluss befördert. Im ungestörten Zustand wird dieses im Lauf der Zeit entlang des Flusses transportiert und landet schließlich im Meer. Kraftwerke und andere Bauwerke stören allerdings diese Transportprozesse was zu einem Überschuss in den Stauräumen und zu Defiziten flussab führt. Dies führt einerseits zu Stauraumverlusten und reduzierter Effizienz der Kraftwerke und andererseits zu gestiegenem Landverlust in den Küstenregionen. Ziel eines geregelten Feststoffhaushalts ist es, die Sedimentdurchgängigkeit von Staubauwerken zu erhöhen um die Sedimentbilanz wieder auszugleichen. Dazu können verschiedene technische und organisatorische Lösungen eingesetzt werden. Diese können über 3 Bereiche wirken: Vermeidung von Sedimenteintrag in den Stauraum (Catchment Management, Bypässe, …), Verminderung wie viel vom eingetragenen Sediment zu liegen kommt (Sluicing, …), und Abtrag von bereits abgelagertem Sediment (Flushing, Dredging, …). Welche Methoden sinnvoll sind hängt dabei von den lokalen Begebenheiten ab und muss bestimmt werden, doch auch die einzelnen Methoden können weiterhin optimiert werden.
Hochwasserrisikomanagement bei Wasserkraftwerken
Klimawandelbedingte und natürliche Änderungen der hydrologischen Verhältnisse an alpinen Fließgewässern erfordern eine stetige Anpassung von Hochwasserrisikomanagementstrategien für den sicheren Betrieb von Wasserkraftanlagen. Dies umfasst einerseits die Verbesserung bestehender Staulegungskonzepte einzelner Anlagen anhand neuerlicher Extremwertstatistiken und der entsprechenden Förderfähigkeitskurven, andererseits eine gesamtheitliche Optimierung von Entscheidungsdiagrammen zur Betriebsweise in Kraftwerksketten unter integrativer Berücksichtigung schutzwasserwirtschaftlicher, sedimentologischer und gewässerökologischer Zielsetzungen. Zusätzlich zu Bewirtschaftungsmaßnahmen zur Minimierung des Hochwasserrisikos erfordert es in der Regel bauliche Optimierungen an den bestehenden Kraftwerksanlagen, um die sichere und schadensfreie Ableitung von Extremabflüssen zu gewährleisten (siehe Optimierung von Wasserkraftanlagen).