NUMERISCHE MODELLIERUNG
Aufgabe der numerischen Modellierung ist die computergestützte Nachbildung von Prozessen in fließenden und stehenden Gewässern. Dabei werden Strömungen, Sedimenttransport und Morphodynamik sowie auch ökologische Lebensräume mittels Computermodellen untersucht.
Diese Modelle können dazu dienen, Parameterstudien zur Analyse der Auswirkungen von Eingriffen in Gewässern durchzuführen. Dadurch können geplante wasserbauliche Maßnahmen im jeweiligen Untersuchungsgebiet optimiert werden, um gewünschte Effekte bestmöglich zu erzielen und negative Auswirkungen zu minimieren. Darüber hinaus verwenden wir räumlich und zeitlich hochaufgelöste Modelle in der Grundlagenforschung. In der hybriden Modellierung verbinden wir gemeinsam mit der physikalischen Modellierung die jeweiligen Vorteile von physikalischen und numerischen Modellen. Die notwendige Datengrundlage zur Kalibrierung und Validierung der Modelle – also die Anpassung an die Natur und Überprüfung mithilfe von Naturdaten – gewinnen wir durch Monitoring im Freiland. Am IWA wenden wir numerische Modelle nicht nur an, sondern entwickeln sie auch von Grund auf.
Hydrodynamik
Aufgabe der Hydrodynamik ist es, für einen Gewässerabschnitt die räumlich verteilten Größen Wassertiefe (als Skalar) und Fließgeschwindigkeit (als Vektorgröße) zu ermitteln. Höherdimensionale Modelle ermitteln zusätzlich verschiedene Kenngrößen der Turbulenz. Eingesetzte Modelle reichen von einfachen 1D-Strömungsmodellen für lange Gewässerabschnitte oder Zeiträume, über 2D-Modelle mit Fokus auf Flussabschnitte von ca. 20-50 km Länge, bis zu 3D-Modellen, die wir auch schon erfolgreich für Flussabschnitte von über 20 km Länge angewendet haben. 1D-Modelle werden am IWA vorwiegend mit der Software HEC-RAS, 2D-Modelle mittels Hydro_AS oder unserer Eigenentwicklung RSim-2D, und 3D-Modelle hauptsächlich mit unserer selbst entwickelten Software RSim-3D erstellt.
Sedimenttransport und Morphodynamik
Die Modellierung des Sedimenttransports umfasst die Prozesse Geschiebetransport, Schwebstofftransport, Sohlevolution und Sedimentsortierung. Als Ergebnis können einzelne Transportmechanismen von Sediment im Gewässer voneinander unabhängig analysiert oder auch die aus allen Prozessen resultierende Morphodynamik der Gewässersohle über kurze, mittlere oder auch längere Zeiträume untersucht werden. Wie bei der Hydrodynamik werden für unterschiedliche Fragestellungen verschiedene Modelldimensionen eingesetzt. Der Großteil der Sedimenttransportmodellierungen am IWA erfolgt mit unserer Eigenentwicklung iSed, die mit verschiedenen 2D- und 3D-Hydrodynamikmodellen (darunter Hydro_AS, RSim-2D und RSim-3D) gekoppelt werden kann.
Habitatmodellierung
Die Aufgabe der Habitatmodellierung ist es, auf Basis der Ergebnisse von 2D- und 3D-Hydrodynamikmodellen eine Bewertung von ökologischen Lebensräumen (Habitaten) im Gewässer für verschiedene Arten oder Gilden auf Mikro- und Meso-Skalenebene durchzuführen. Die Bewertung kann entweder für einen stationären Zustand oder im zeitlichen Verlauf (z.B. während des Ablaufs einer Hochwasserwelle) erfolgen. Am IWA wurde dazu das Habitatevaluierungsmodell HEM entwickelt. Durch die in jüngerer Vergangenheit hinzugekommenen Erweiterungen HEM-PEAK und HEM-Impoundment sind auch Bewertungen von Schwall- und Sunkprozessen sowie von Staubereichen in Gewässern möglich.
Hochauflösende Modelle
In 3D-Modellen, die für ingenieurmäßige Fragestellungen Verwendung finden, kommt üblicherweise der RANS-Turbulenzansatz (Reynolds-averaged Navier-Stokes) zum Einsatz, bei dem die hydrodynamischen Erhaltungsgleichungen (Navier-Stokes-Gleichungen) über die Turbulenzskalen gemittelt werden. Darüber hinaus existieren Ansätze zur genaueren und hochauflösenden Berechnung der Turbulenz, wie die Large-Eddy-Simulation (LES) oder die Direkte Numerische Simulation (DNS). Beide Verfahren lösen das Rechengebiet räumlich und zeitlich sehr hoch auf, sind folglich rechenintensiv und kommen daher vorwiegend im Bereich der Grundlagenforschung zur Anwendung. Am IWA werden dafür das Open-Source Modell OpenFOAM oder der Virtual Flow Simulator (VFS) der Stony Brook University verwendet.