FLUSSBAU

Während die Folgen der massiven Eingriffe der letzten Jahrhunderte immer deutlicher sichtbar werden, nimmt die Nutzung von Flusslandschaften und Wasserkraft weiter zu, sodass der Flussbau vor große Herausforderungen gestellt wird. Eine ganzheitliche Betrachtung des Wasser- und Sedimentkreislaufs, sowohl im Flussbau als auch in der Flussrenaturierung, und die Optimierung flussbaulicher Maßnahmen zur Erfüllung und Erhaltung mehrerer Funktionen sind notwendiger denn je.

Wasserbauwerke in Flüssen stehen in Wechselwirkung mit der Strömung, der Morphologie und, auf größerer Skalenebene, mit dem gesamten Wasser- und Sedimentkreislauf. Die Folgen der einseitigen Zielverfolgung früherer flussbaulicher Maßnahmen werden weltweit immer spürbarer. Der beschleunigte Abtransport von Sedimenten in begradigten und eingeengten Flüssen wird durch den zunehmenden Rückhalt von Sedimenten – etwa durch den Ausbau der Wasserkraft – zusätzlich verschärft. Dies führt zu vielfältigen Problemen: Ökologisch entstehen Schäden durch den Verlust von Lebensräumen für Tiere und Pflanzen, wenn beispielsweise Sedimentbänke durch morphologische Veränderungen verschwinden oder Auen austrocknen, weil sich der Grundwasserspiegel infolge der Erosion der Flusssohle absenkt. Technisch kann die Infrastruktur des Menschen beeinträchtigt werden, etwa wenn eine Eintiefung des Flussbetts Brückenpfeiler oder verbaute Ufer destabilisiert, die Wirkung von Wasserbauwerken wie Buhnen verändert oder die Grundwasserversorgung für Landwirtschaft und Trinkwasser eingeschränkt wird. Das IWA trägt mit Forschung zu innovativem Flussbau und optimierten Lösungen dazu bei, die vielfältigen Funktionen von Flüssen für Mensch und Natur zu erhalten oder wiederherzustellen. Als Grundlage für Problemlösungen, Prozessverständnis und Erfolgskontrolle nutzt das IWAH verschiedene Methoden, um Erkenntnisse über morphologische Veränderungen und den aktuellen Zustand der Flüsse zu gewinnen.

Im Bereich des Flussbaus leistet das IWAH Beiträge zu den folgenden Themen:

 

Morphologische Fließgewässerentwicklung

Ungleichgewichte zwischen dem Ein- und Austrag von Sedimenten führen zu Veränderungen der mittleren Sohlhöhe, die langfristig technische und ökologische Probleme verursachen und die Funktionen der Flüsse für Mensch und Natur einschränken können. Das IWAH nutzt Vermessungsdaten und Daten zum Sedimenttransport, um Sedimentbilanzen zu erstellen, den morphologischen Zustand des Gewässers zu erheben, mögliche Probleme auf deren Ursache zurückzuführen und Lösungen abzuleiten. Ergänzend kommen zu diesem Zweck numerische Modelle und Laborversuche zum Einsatz.

Renaturierung

Die Renaturierung von Flüssen erfordert ein Zulassen morphodynamischer Prozesse, was die Planung, Umsetzung und Unterhaltung von flussbaulichen Maßnahmen vor neue Herausforderungen stellt und eine verbesserte Vorhersagbarkeit dieser Prozesse erfordert. Dabei kommen auch Werkzeuge zum Einsatz, die teilweise aus eigenen Untersuchungen abgeleitet wurden. Labormodellversuche werden beispielsweise durchgeführt, um den Breiten- und Sedimentbedarf von Flusskorridoren zu ermitteln.

Die Optimierung der Maßnahmen erfolgt unter Berücksichtigung erwarteter Ökosystemleistungen, wie etwa Hochwasserschutz, sowie ökohydraulischer und morphodynamischer Anforderungen zur Bereitstellung von Habitaten.

Innovative flussbauliche Maßnahmen – Längsbauwerke

Längsbauwerke dienen beispielsweise der Eingrenzung von Teilen des Flusslaufs (z. B. Uferverbauung, Leitwerke) oder der kontrollierten Abfuhr von Hochwasserereignissen  (z. B. Deiche). Zunehmende Nutzungskonflikte und die nachteiligen Auswirkungen bisheriger flussbaulicher Maßnahmen erfordern jedoch innovative Lösungen, die vielfältige Funktionen erfüllen. Dabei müssen die Auswirkungen der Maßnahmen trotz der verstärkten Mitwirkung morphodynamischer Prozesse und Vegetation vorhersagbar bleiben.

Das IWA begleitet integrative Wasserbauprojekte, bei denen etwa Regulierungsbauwerke so modifiziert werden, dass ihre regulierende Wirkung optimiert wird, während gleichzeitig natürliche morphodynamische Prozesse wiederhergestellt werden. Zu diesem Zweck führt das IWA beispielsweise Messungen zur Ufererodierbarkeit durch und entwickelt sowohl einfach anwendbare Werkzeuge als auch komplexere, mehrdimensionale numerische Modelle, die auch seitliche morphodynamische Prozesse abbilden können.

Innovative flussbauliche Maßnahmen – Querbauwerke

In beengten Raumverhältnissen können Querbauwerke der kontrollierten Energieumwandlung und der Reduzierung der Sedimenttransportkapazität dienen. Bei der Gestaltung solcher Bauwerke müssen sowohl die Beeinflussung des Sedimentkontinuums als auch die Durchgängigkeit für wandernde Fischarten berücksichtigt werden. Am IWA wird an der Optimierung verschiedener innovativer Varianten geforscht, die den Einfluss auf die Durchgängigkeit minimieren, wie beispielsweise die „Pendelrampe“ oder der „Rauteppich“.

Innovative flussbauliche Maßnahmen – Geschiebezugaben

Lässt sich das Sedimentkontinuum nicht wiederherstellen oder Sediment nicht durch natürliche Prozesse zuführen, können künstliche Geschiebezugaben erforderlich sein, um die Sohllage oder habitatrelevante Strukturen zu erhalten oder wiederherzustellen. Schiffsgebundene Zugaben sind jedoch nur bei schiffbaren Durchflüssen möglich und daher möglicherweise nicht ausreichend. In solchen Fällen können alternative Methoden wie Depotschüttungen oder die Zugabe über Förderbänder notwendig werden.

Das IWA untersucht diese Geschiebezugabemethoden in Naturversuchen, im Labor und mithilfe numerischer Modelle, um sie effektiv in der Praxis anwenden zu können. Neben dem Abtransport des Sediments von der Zugabestelle ist auch dessen Ausbreitung von Interesse. Am IWA wird das Prozessverständnis hierzu durch umfangreiche Expertise sowie durch aus Feld- und Laborversuchen abgeleitete Formeln kontinuierlich weiterentwickelt.